Sie befinden sich hier:

Rodeneck als Gemeinde

Aus dem ehemaligen Burgfrieden des Schlosses ging am Anfang des 19. Jahrhunderts die eigenständige Gemeinde Rodeneck hervor, die wie alle Gemeinden unter österreichischer Verwaltung ein ziemlich hohes Maß an Selbstverwaltung besaß.
An der Spitze stand seit 1822 der Gemeindevorsteher selten auch Bürgermeister genannt. Der Gemeindeausschuß, so wurde der Gemeinderat damals genannt, zählte zunächst 12 Mitglieder, später 15, der alle drei Jahre und später alle vier Jahre gewählt wurde (heute alle fünf Jahre).
Schwere Zeiten erlebte die Gemeinde im Ersten Weltkrieg (1914- 1918). Fast alle arbeitsfähigen Männer standen an der Front. Von den 80 eingerückten Rodeneckern sind 23 gefallen, vorwiegend an der Ostfront und am Isonzo, neun blieben vermißt. Die Arbeit daheim mußten unter schwersten Bedingungen Frauen, Kinder und alte Leute erledigen. Als Arbeitshilfe erhielten sie zum Teil russische Kriegsgefangene, die auch zum Ausbessern des Fahrweges nach Mühlbach herangezogen wurden. Besonders drückend waren neben den Opfern an Menschen die Abgaben an Vieh und Getreide und der Verlust der gesamten und teils sehr hohen Kriegsanleihe. Sogar notwendige Arbeitspferde wurden eingezogen. So mußten beispielsweise beim Egger "zwei Roß und vier Buben an einem Tag einrücken".
Obwohl Rodeneck selbst von Kriegshandlungen weitgehend unbehelligt blieb, drohte dem Schloß Rodenegg die Schleifung, da es im Vorfeld der Pusterer Verteidigungslinie lag.
Einen großen und schweren Verlust für die katholische Bevölkerung stellte die Ablieferung der Kirchenglocken dar, die im März 1917 und 1918 erfolgte. Auch die Kirchen von St. Pauls, Nauders und St. Blasius mußten ihre Glocken zur Herstellung von Kriegsmaterial zur Verfügung stellen. Nur je eine Glocke (die kleinste) blieb auf dem Pfarrturm und zu St. Blasius. Die Vergütungssumme (22.020 Kronen) wurde fast vollständig zur Kriegsanleihe verwendet.
Zum Andenken an die Gefallenen und Vermißten gab die Gemeindeverwaltung 1924 die Errichtung zweier neuer Kirchenfenster in Auftrag. Sie stellen St. Michael und St. Georg dar und wurden von der Firma Bernhard Strobl in Brixen hergestellt. Die übrigen Glasfenster stifteten einzelne Bauern.
Nach Kriegsende 1918 mußte Österreich Südtirol räumen, italienische Truppen rückten nach. Mit dem Friedensvertrag von Saint-Germain (10. Sept. 1919) fiel Südtirol bis zum Brenner an Italien, die Hoffnung auf die 14 Punkte Wilsons wurde nicht erfüllt.
Mit dem "Marsch auf Rom " (28. Okt. 1922) übernahm der Faschismus die Macht in Italien, und besonders für Südtirol begann eine Zeit der rücksichtslosen Unterdrückung und Assimilationspolitik. Mit dem Verbot der deutschen Sprache in allen öffentlichen Ämtern und der Einführung des Italienischen als alleiniger Unterrichtssprache ab 1923 mußte sich auch Dekan Kaser in Rodeneck mit italienischen Lehrpersonen abfinden, mit denen er, im Vergleich zu anderen Orten, nicht so schlecht zurechtkam. Während der dreißiger Jahre gab es auch in Rodeneck in einigen Häusern Unterricht in deutscher Sprache, wenngleich man hier von einer eigentlichen "Katakombenschule" kaum sprechen kann. Besondere Verdienste für die deutsche Schule erwarb sich Johann Tratter, zuerst als Lehrer in den gewährten deutschen Sprachkursen für Kinder der Deutschoptanten (ab 1940), dann in der Volksschule bis 1955.
Ein harter Schlag für die Gemeinde war 1926 das Ende der Selbstverwaltung und damit jeder demokratischen Mitbestimmung. Durch ein königliches Dekret wurden nämlich im ganzen Königreich Italien in den Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern staatliche Amtsbürgermeister (Podesta) ernannt. 1929 wurde dann die Gemeinde Rodeneck zusammen mit Meransen, Mühlbach, Spinges und Vals zu einer einzigen Gemeinde "Mühlbach" vereint. Damit hatte Rodeneck (bis 1955- vgl. später) aufgehört, eine eigene Gemeinde zu sein, und galt als Fraktion Mühlbachs.
Neben den Italianisierungsmaßnahmen schlug besonders die wirtschaftliche Not der Bevölkerung zu Buche. Diese zeigte sich in Arbeitslosigkeit, hoher Verschuldung und Zwangsversteigerung mehrerer Höfe, Einbrüche und Diebstähle kamen vor, alles Dinge, die in Rodeneck im 19. Jahrhundert nie vorkamen. Bis 1936 wanderten ca. 80 Personen als Dienstboten und Holzarbeiter von der Gemeinde ab.